Schon in der Karolingerzeit, so ca. zur Zeit von Karl dem Großen, trafen sich die Frauen eine Dorfes regelmäßig in der Spinnstube.
Spinnstuben gab es in ganz Mitteleuropa bis ins 20. Jahrhundert hinein. Sie wurden auch Lichtstuben, Kunkelstuben, Rockenstuben oder Spillstuben genannt. Die Mädchen spannen in der Spinnstube das Leinen für ihre Aussteuer oder arbeiteten an neuen Stücken für die Tracht.
Für viele Bäuerinnen war das Ausrichten der Spinnstube eine Ehre. Gesponnen wurde von ca. 18:00 Uhr bis ca. 22:00 oder 23:00 Uhr außer an Samstagen, Sonntagen und Feiertagen. Die Leitung der Spinnstube hatte die Bäuerin, in deren Haus der Spinnabend stattfand. Die Ausrichtung der Spinnstube konnte auch reihum in den Bauernhöfen gehen. Bei dieser Form handelte es sich um Wanderspinnstuben. Jedoch gab es Spinnstuben mit einem festen Treffpunkt. Der „Spinnherr“ und die „Spinnfrau“ waren für die Ordnung in der Spinnstuben-Zeit verantwortlich. Sie erhielten Petroleum für die Zeit der Spinnstube sowie Geschenke zu Weihnachten und zum Geburtstag. Auch brachten die Jungen, wenn sie in die Spinnstube kamen, Wein und Wurst mit, um den Spinnstubenhalter gnädig zu stimmen und mit den Mädchen gemeinsam Spaß haben zu dürfen. So konnte zu der damaligen Zeit Feuer und Licht gespart werden.
Zu späterer Abendstunde (ca. 21:00 Uhr), wenn die Burschen in die Spinnstuben kamen, wurde auch gesungen, gespielt, erzählt, musiziert oder getanzt. Außerdem neckten sich Jungen und Mädchen und trieben so manchen Schabernack miteinander, z.B. klauten die Burschen den Mädchen ihre Rocken und sie mussten diesen durch einen Kuss freikaufen. So lernten sich Jungen und Mädchen kennen und mancher Liebesfaden wurde hier neben Wolle und Flachs gesponnen.
Es gab wohl auch Spinnstuben, wo sich die Bäuerinnen trafen. Hier fanden auch Witwen wieder neue Ehemänner.
Gesponnen wurde zwischen St. Martin (11. November) und dem 2. Februar. Ab Weihnachten bis zum 6.Januar durfte aber nicht gesponnen werden. Spinnen in dieser Zeit bringt Unglück. Frau Holle zog in dieser Zeit durch die Nächte.
Spinnstuben dienten natürlich auch dem Austausch von Neuigkeiten, Meinungen und war ein Ort der freien Rede. Hier wurden Traditionen, Volksweisheiten, Sagen, Märchen und Volksmedizin weitererzählt. Sie waren ein Teil der dörflichen Kultur. Hier erhielten die Mädchen so ganz nebenbei auch Unterricht in Haushaltslehre.
Im 18. Jh. verurteilten Kirche und andere Moralisten die Spinnstuben als unsittlich. Spinnstubentreffen wurden in vielen Gegenden auch als „Rammelnächte“ und als Ort sexualer Ausschweifungen bezeichnet. Später wurden sie per Gesetz verboten, z.B. 1726 im Kurhessischen.
Feste in der Spinnstube waren regional unterschiedlich,einige Beispiele:
Wintersonnenwende: In der „langen Nacht“ vom 20. auf den 21. 12. wurde in der Spinnstube gefeiert.
Fastnacht, Matthiastag 24. Februar: An diesem Abend zogen die Mädchen aus, um die Häuser von Freunden und Nachbarn mit Leinknoten zu bewerfen. Danach wurde mit Kaffee, Zucker, Kuchen, Eiern, Speck und Wurst gefeiert. Die Burschen brachten die Getränke mit. Nach den Essen wurde getanzt.
Sonntag nach Lichtmess: Ab dem Sonntag nach Lichtmess (2. Februar) durfte abends kein Licht mehr angesteckt werden, da sonst der Flachs nicht gut gerät. Am letzten Abend der Spinnstube wurde das „Licht vertrunken“. Der Name der Feier stammt noch aus der Zeit der Tran- und Hängelampen.
Jede Spinnstube besaß ihr eigenes Licht, das am Ende der Spinnstubenzeit verkauft wurde. Der Erlös lieferte die Getränke zum Abschiedsessen.
Burschen in der Spinnstube: In einigen Gegenden war es üblich, dass die Burschen nicht in die Spinnstube durften,außer:
am Burkhardstag – 11. Oktober, Brauch bei den Sorben und Wenden.
am letzten Abend vor Weihnachten oder zur Fastnacht, mit dem Fest endete dann die Spinnstubenzeit in einigen Regionen.
Vor ca. 3 Jahren habe ich die Idee der Spinnstube aufgegriffen und eine „Spinnstube“ in Schleswig ins Leben gerufen. Seit dieser Zeit treffen sich über 10 Frauen regelmäßig zum Handarbeiten und Erzählen. Gesponnen wird dort nicht mit den Spinnrad, höchstens mit den Kopf.
Wenn du in einem Loch sitzt,
musst du zuerst mit dem Graben aufhören
Tibetisches Sprichwort