„So schauet mit bescheidnem Blick,
Der ewigen Weberin Meisterstück.
Wo ein Tritt tausend Fäden regt,
Die Schifflein hinüber, herüber schießen,
Die Fäden sich begegnend fließen,
Ein Schlag tausend Verbindungen schlägt.
Das hat sich nicht zusammen gebettelt,
Sie hat’s von Ewigkeit angezettelt;
Damit der ewige Meistermann
Getrost den Einschlag werfen kann.“

Goethe, aus Gott und Welt

 

Verbiete du dem Seidenwurm zu spinnen,

Wenn er sich schon dem Tode näher spinnt;

Das köstliche Geweb´entwickelt er

Aus seinem Innersten und lässt nicht ab,

Bis er in seinen Sarg sich eingeschlossen.
Goethe,Torquato Tasso

[…]

Geist: Wer ruft mich?

Faust, abgewandet: Schreckliches Gesicht!

Geist: Du hast mich mächtig angezogen,

An meiner Sphäre lang gesogen,

Und nun –

Faust: Weh! ich ertag dich nicht!

Geist: Du flehst eratmend, mich zu schauen,

Meine Stimme zu hören, mein Antlitz zu sehn;

Mich neigt dein mächtig Seelenflehn,

Da bin ich! – Welch erbärmlich Grauen

Fasst Übermenschen dich! Wo ist der Seele Ruf?

Wo ist die Brust, die eine Welt in sich erschuf

Und trug und hegte, die mit Freudebeben

Erschwoll, sich uns, den Geistern, gleich zu heben?

Wo bist du, Faust, des Stimme mir erklang,

Der sich an mich mit allen Kräften drang?

Bist du es, der, von meinem Hauch umwittert,

In allen Lebenstiefen zittert,

Ein furchtsam weggekrümmter Wurm?

Faust: Soll ich dir, Flammenbildung, weichen?

Ich bin´s, bin Faust, bin deinesgleichen!

Geist: In Lebensfluten, im Tatensturm

Wall ich auf und ab,

Webe hin und her!

Geburt und Grab,

Ein ewiges Meer,

Ein wechselnd Weben,

Ein glühend Leben,

So schaff ich am sausenden Webstuhl der Zeit

Und wirke der Gottheit lebendiges Kleid.

[…]

J. W. v. Goethe, Faust I, Nacht

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