In der Ruhe Tal geboren,
Wer verließe je das Tal?
Drängte sich nach Kron‘ und
Purpur in des Hofes goldnen Saal?
Fern von Bosheit, wie von Schätzen,
Stiller Lieb‘ und Freundschaft hold;
Ach, was kann wie Lieb‘ ergötzen,
Sie, die mehr ergötzt als Gold.
Arme Schäfer, ihr beneidet
Oft, so oft der Großen Glück,
Weil sie Gold, statt Wolle, kleidet,
Gold, des Herzens böser Strick.
Liebe, wie die goldne Sonne,
Wärmt und strahlet euch so gern,
Malt euch an der Brust ein Blümchen
Über Ordensband und Stern.
Sieh, wie dort das Mädchen singend
Ihre Heerde treibt zur Ruh‘.
Schlüsselblümchen neu entspringend
Grüssen sie und horchen zu.
Welche Königin der Erde
Blickte je und sang so froh?
Ach, beladen mit Juwelen,
Schlägt und singt kein Herze so.
Wär‘ ich auch mit euch geboren,
Auch ein Mädchen in dem Tal;
Ohne Fesseln, ohne Kerker
Hüpft‘ ich in der Freiheit Saal,
Klimmte über Fels und Hügel,
Sänge Liebe, Lust und Scherz:
Meine Kron‘ ein Wiesenblümchen,
Und mein Reich des Schäfers Herz.
Johann Gottfried von Herder