„Und glaubst du denn, ich merke nicht,

Trotzdem ich ohne Augenlicht,

Daß es dem Nachbarsjungen

Schön längst bei dir gelungen?

Du seufzest oft so still und leis,

So seufzt nur, wer von Liebe weiß.

Spinn, Brigittchen, spinn,

 

Schlag’ die Lieb’ dir aus dem Sinn.

Was öffnest Du das Fensterlein? –

Es würde Die zu heiß sonst sein? –

Gewiß steht er im Garten,

Um auf sein Lieb zu warten;

Sein Liebchen aber bist wohl du? –

Laß ihn schön draußen, bleib in Ruh;

Spinn, Brigittchen, spinn,

Schlag’ die Lieb’ dir aus dem Sinn.

Wer schleicht zur Tür herein so sacht? –

Dir Wind nur hätt’ sie aufgemacht? –

Ich glaub Drills nun und nimmer!

Es ist hier wer im Zimmer. –

Ei, war das nicht ein leiser Kuß? –

O, Kind, was machst du mir Verdruß!

Spinn, Brigittchen, spinn,

Schlag’ die Lieb’ dir aus dem Sinn.

O, glaub, es gibt der Burschen viel.

Für die ist Liebe nur ein Spiel

Und manche hat mit Leiden

Bezahlt die kurzen Freuden;

Was heute ihr noch Spaß gemacht,

Das ward zum Kummer über Nacht. –

Spinn, Brigittchen, spinn,

Schlag’ die Lieb’ dir aus dem Sinn.“

Noch gibt die Alte manche Lehr’,

Doch hört davon die Maid nichts mehr

Im Garten drunten herzte

Ihr Buhle sie und scherzte. –

Die Alte aber singt stets fort

Ihr altes Lied, ihr altes Wort:

„Spinn, Brigittchen, spinn,

Schlag’ die Lieb’ dir aus dem Sinn.“

Und übers Jahr im Friedhof stand

Ein Mütterlein am Grabesrand

Es läßt die letzten Schollen

Dumpf auf die Grube rollen

Und spricht so tief, so schmerzbewegt:

„Ach, hättest mein Wort du eingeprägt:

Spinn, Brigittchen, spinn,

Schlag’ die Lieb’ dir aus dem Sinn.“
Dimitrius Schnitz

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